Auswirkungen der Industrie auf die Flüsse
Sozio-ökologischen Auswirkungen der industriellen Produktion
Mexiko hat in den letzten dreißig Jahren ein starkes Wirtschaftswachstum erlebt, was vor allem auf den Anstieg ausländischer Investitionen infolge der Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, Kanada und der Europäischen Union sowie auf die Deregulierung des Marktes zurückzuführen ist. Mexiko ist eines der Länder mit den meisten Freihandelsabkommen auf der Welt und somit ein „Industrieparadies“ für transnationale Unternehmen der ganzen Welt. Diese "sozialökonomische Entwicklung " hat jedoch zu einem Gesundheits- und Umweltnotstand und zu schweren Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Regionen und Gemeinden geführt. In Industrieregionen wie Guanajuato, Hidalgo, Puebla, Jalisco, Tlaxcala und Veracruz leidet die Bevölkerung unter Gesundheitsproblemen, die durch die Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden durch Tausende von Unternehmen verursacht werden, die meist in großen Industriegebieten entlang der Flüsse angesiedelt sind und ihre Abwässer oft ungeklärt in die Flüsse einleiten.
#ToxitourMexico
Im Dezember 2019 reisten Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Parlamentarier*innen und Wissenschaftler*innen aus einigen europäischen Ländern im Rahmen der Karawane #ToxiTour nach Mexiko. Die Karawane, die durch sechs Regionen reiste, die über verschiedene Bundesstaaten des Landes entlang der neovulkanischen Achse verteilt sind, hatte zum Ziel, die sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Auswirkungen der transnationalen industriellen Produktion sichtbar zu machen. Diese Reise wurde von der Globalen Kampagne des Transnationalen Instituts (TNI), der Nationalversammlung der Umweltgeschädigten (Asamblea Nacional de Afectados Ambientales, ANAA) und Basisorganisationen von Umweltschützer*innen in Mexiko organisiert.
Belastung der Flussgebieten
Die Karawane legte 2.500 km durch das Flussbecken Santiago, das Flussbecken Independencia, das Flussbecken Tula, das Flussbecken Atoyac-Zahuapan, das Flussbecken Libres-Oriental und durch den Isthmus von Tehuantepec Nord zurück.
Im Flussbecken Santiago konzentrieren sich große Industrie-, Produktions-, Stadt- und Landwirtschaftsgebiete in den beiden größten Industriekorridoren des Landes: Toluca-Lerma und Ocotlán-El Salto. Wissenschaftliche Studien über die Wasserqualität haben gezeigt, dass der Fluss Rio Santiago schädliche Schadstoffe enthält, darunter Arsen, Blei und Kadmium, die auch in den Körpern von Kindern in Juanacatlán und in der Stadt El Salto gefunden wurden. Zu den transnationalen Unternehmen, die in diesem Becken tätig sind, gehören: Continental, Siemens, ZF, Voit, Nestlé, DSM und Nutreco.
Im Flussbecken Independencia wiesen die Organisationen auf die Auswirkungen der für den US-Markt bestimmten agroindustriellen Exportindustrie hin. Die übermäßige Ausbeutung des Grundwasserleiters hat dazu geführt, dass das seit mehr als dreißig Jahren geförderte Wasser Fluorid, Arsen, Natrium, Mangan und andere Mineralien in Konzentrationen enthält, die für die menschliche Gesundheit schädlich sind.
Im Flussbecken Tula hat die Karawane die Auswirkungen der nationalen Zementindustrie, der Rohstoffindustrie, der Industrieparks, einer großen Raffinerie, eines thermoelektrischen Kraftwerks sowie der Industrie- und Siedlungsabwässer festgestellt, die in die Flüsse Salado und Tula eingeleitet werden, die dann für die landwirtschaftliche Produktion genutzt werden. In dieser Region ist u. a. das französisch-schweizerische Unternehmen LafargeHolcim tätig.
Im Flussbecken Atoyac-Zahuapan wurden die Einleitung kommunaler und industrieller Abwässer ohne vorherige Behandlung, die unzureichende Entsorgung und Sammlung fester Abfälle sowie die zunehmende Bevölkerungsexpansion und unkontrollierte Industrialisierung der Region festgestellt. In dieser Region befinden sich u.a. Werke von Volkswagen, Bayer und BASF.
Im Flussbecken Libres-Oriental verbraucht die Landwirtschafts- und Automobilindustrie große Mengen Wasser aus dem Grundwasserleiter, außerdem werden Anti-Hagel-Kanonen eingesetzt, um den Regen zu hemmen und die Produktion zu schützen, was die lokale bäuerliche Landwirtschaft stark beeinträchtigt. Mega-Schweinefarmen wie Carroll Farms, Lebensmittelverarbeitungsunternehmen wie Driscoll, Erdbeer- und Beerenexporteure, Mega-Geflügelfarmen, Photovoltaikanlagen (Iberdrola), Cuauhtémoc-Brauereien und das Audi-Werk sind in dieser Region tätig.
Im nördlichen Isthmus von Tehuantepec berichteten die Organisationen über Luft- und Wasserverschmutzung, sowohl während des regulären Betriebs des Unternehmens als auch bei Unfällen und chemischen Notfällen. Außerdem wurden die Folgen der Kokslagerung im Tagebau durch das katalanische Unternehmen García Munté Energía (GME - ADN Energía) für die menschliche Gesundheit und die Umwelt hingewiesen.
Politische Reaktionen
Die Aussichten für die Regionen lösten bei den Karawanenteilnehmer:innen große Besorgnis über die alarmierende ökologische und soziale Situation aus. So wurden in den Jahren 2020 und 2021 verschiedene Aktivitäten durchgeführt, die von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, des baskischen Parlaments, des Senats von Minnesota und der Zivilgesellschaft koordiniert wurden und auf nationaler und internationaler Ebene einen Präzedenzfall für andere Regionen darstellen.
Die internationale Aufmerksamkeit trug dazu bei, dass sich im Nachhinein ein regelmäßiger Austausch der Betroffenen mit der mexikanischen Regierung, insbesondere dem Umweltministerium, etablierte. Ziele sind unter anderem die Renaturierung und Sanierung der Flüsse. Neben der Sichtbarmachung dieser Probleme zeigte die ToxiTour-Karawane auch die Fähigkeit zur Organisation und zum Widerstand auf, die die betroffenen Gemeinden in den besuchten Regionen entwickelt haben.
Virtuelle Rundreise #ToxiTour Mexiko 2020
Auf einen virtuellen #ToxiTour vom 7. bis 27. November 2020 zeigten die mexikanischen Menschenrechtsorganisationen Centro Fray Julián Garcés und Un Salto de Vida eindrückliche Bilder: Zerstörte Umwelt, verschmutzte Flüsse und Industrieanlagen, die eine traditionelle Bewirtschaftung des Landes unmöglich machen und die schweren Gesundheitsgefährdungen für die Bewohner*innen der Gemeinden am Rande der verschmutzten Gebiete.
Die beteiligten Organisationen wollen sich weiter vernetzen und gemeinsame Strategien entwickeln, wie sie ihre Gespräche mit politischen Entscheidungsträger*innen in Deutschland nachhalten werden.
Die vorgetragenen Fälle sind Beispiele dafür, wie wichtig es ist, in einem zukünftigen Lieferkettengesetz die Verantwortung deutsche Unternehmen und ihrer Zulieferer für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen im Ausland festzuschreiben.
Hier kannst Du Dich einen 7-minütigen Kurzfilm über die #ToxitourMexiko ansehen:
Diese Beispiele zeigen uns auch, wie wichtig es ist, solidarische Entwicklungsmodelle umzusetzen, die sowohl die Menschenrechte als auch die Umwelt respektieren. Wir laden Dich ein, Dich die Videos anzuschauen, die wir über Initiativen oder Modelle der solidarischen Entwicklung vorstellen.
Es gibt keine soziale Gerechtigkeit ohne Umweltgerechtigkeit!
Und Umwelt- bzw. Klimagerechtigkeit braucht Solidarität!
Klimasolidarität Jetzt!